Frau, welche erschöpft auf einem Waldweg steht

Mit viel Liebe geschrieben am:

Was ist ein Backyard Ultra? Der Lauf der unbegrenzten Qualen

Backyard Ultra: Die süsseste Versuchung, seit es Ultras gibt. Stell dir vor, du läufst einen Wettkampf ohne zu wissen, wann er vorbei ist. Einen Wettkampf bei dem der „Verlierer“ unter Umständen langsamer ist als der Sieger? Es ist weniger ein Wettkampf gegen andere als einer gegen dich selbst.

Die ganz einfache Frage lautet: Wie lange kannst du durchhalten?

Die Regeln eines Backyard Ultras

Bein einem Backyard Ultra geht es nicht um die Geschwindigkeit sondern um die Ausdauer. Ziel ist es möglichst viele Runden zu laufen. Wer am Meisten Runden läuft ist der Gewinner. Aber es hat noch ein paar Kniffe dazu:

  1. Eine Runde ist genau 6.706 km (4.167 Meilen). Diese etwas komische Zahl ergibt sich wie folgt: 24 Runden = 100 Meilen in 24 Stunden.
  2. Startzeit jeder Runde ist pünktlich zu jeder Stunde. Wer zu spät kommt oder gar nicht kommt scheidet aus.
  3. Läufer, welche eine Runde nicht in der Stunde fertig schaffen, scheiden ebenfalls aus.
  4. Keine persönliche Hilfe während einer Runde
  5. Es ist nicht erlaubt die Strecke zu verlassen

Ziemlich simpel. Somit ist es theoretisch möglich, dass ein Rennen Tage dauert.

Die Geburt des Backyard Ultra – Ein Rennen wie kein anderes

Wenn man an verrückte Ideen im Laufsport denkt, dann führt kein Weg an Gary „Lazarus Lake“ Cantrell vorbei. Der berüchtigte Kopf hinter den ebenso mystischen wie gnadenlosen Barkley Marathons hatte 2011 eine weitere geniale (oder wahnsinnige?) Eingebung: Warum nicht ein Rennen erfinden, das praktisch kein Ende hat? Und so war der Backyard Ultra geboren – ein Wettkampf, der Ausdauerläufer weltweit in seinen Bann zieht.

Wo alles begann: Big’s Backyard Ultra

Die erste Bühne dieses epischen Konzepts? Cantrells eigener Hinterhof in Bell Buckle, Tennessee. Klingt idyllisch? Nicht so schnell! Die Regeln sind ebenso gnadenlos wie simpel: Jede Stunde 6,706 Kilometer. Wer die Strecke nicht schafft, fliegt raus. Und es geht so lange weiter, bis nur noch ein Läufer übrig bleibt – der „Last Man Standing“. Der Clou: Der Lauf ist nach seinem treuen Hund Big benannt, der vermutlich oft kopfschüttelnd zugeschaut hat, wie sich Läufer Stunde um Stunde quälten.

Vom Hinterhof zur Weltbühne

Was als kleine Veranstaltung im amerikanischen Nirgendwo begann, hat sich zu einem globalen Phänomen entwickelt. Heute ist Big’s Backyard Ultra das Mekka der besten Ausdauersportler der Welt. Hier treten die Sieger anderer Backyard-Ultras aus Amerika und der ganzen Welt an, um den ultimativen Titel zu gewinnen – in einem Duell, das so lange dauert, bis auch der stärkste Wille bricht.

Was macht den Backyard Ultra so besonders?

Der Backyard Ultra ist nicht einfach ein Lauf – es ist eine wilde Mischung aus Strategie, Ausdauer und purem Wahnsinn. Aber warum übt dieses Rennen einen solch magnetischen Reiz auf Läufer aus? Die Antwort: Es ist anders. Radikal anders.

1. Die Einfachheit der Regeln – aber die Komplexität des Spiels

Klingt simpel, oder? 6,706 Kilometer pro Stunde. Immer und immer wieder. Doch genau darin liegt die Genialität. Die Strecke ist machbar, aber das echte Rennen findet in deinem Kopf statt. Wie lange kannst du der Versuchung widerstehen, einfach aufzugeben? Jede Stunde die gleiche Distanz, jede Stunde die gleiche Frage: „Schaffe ich noch eine?“

2. Keine Ziellinie, keine Limits

Es gibt keine feste Distanz, keinen festen Endpunkt. Es ist ein Rennen, das erst endet, wenn du es beendest – oder besser gesagt: wenn dein Körper oder dein Geist dich dazu zwingt. Der Backyard Ultra sprengt die üblichen Grenzen des Laufsports und zwingt dich, deine eigenen Limits immer weiter hinauszuschieben.

3. Ein Wettkampf – aber auch ein Gemeinschaftsgefühl

Ja, es ist ein Rennen, und ja, nur eine Person wird am Ende „Last Man Standing“ sein. Aber die Pausen zwischen den Runden, die Gespräche am Lagerfeuer, das Anfeuern der Mitläufer – das alles schafft eine einzigartige Atmosphäre. Hier wird gelacht, geflucht, geschwitzt und manchmal auch zusammen gelitten.

Und in welchem Rennen kann der letzte und der erste gemeinsam eine Runde drehen. Sicher nicht an einem stinknormalen Marathon, wo die Hobbyläufer nicht einmal, selbst wenn sie es wollten, den ersten Kilometer mit den Eliteläufern mithalten würden.

4. Dein grösster Gegner bist du selbst

Nachts im Dunkeln, wenn die Kälte dir in die Knochen kriecht und deine Beine sich wie Blei anfühlen, wirst du vor die ultimative Wahl gestellt: Verlässt du dein warmes, trügerisch bequemes Nest für eine weitere Runde oder gibst du auf?

In diesen Momenten wird dein grösster Gegner sichtbar: du selbst. Die Selbstzweifel flüstern dir zu: ‚Warum quälst du dich? Du kannst einfach hierbleiben.‘ Und während andere Ultras dich irgendwo im Nirgendwo zwingen, weiterzugehen, gibt es hier nichts, was dich hält – ausser dein eigner Wille.

Beim Backyard Ultra ist Aufgeben erschreckend einfach: Du musst nur sitzen bleiben. Kein langer Marsch zurück, kein Ziel, das du erreichen musst. Alles, was du tun musst, um aufzugeben, ist nichts. Und genau darin liegt die wahre Herausforderung.

5. Taktik ist alles

Wie schnell läufst du? Wie viel Zeit nimmst du dir zum Essen, Trinken oder für eine kurze Pause? Wie bereitest du dich mental auf die nächste Runde vor? Der Backyard Ultra ist ein Spiel der Entscheidungen, und jede Runde bietet die Chance, es richtig – oder gnadenlos falsch – zu machen.

Die 7 Kilometer liessen sich relativ gemütlich in 40 Minuten bewältigen. Damit bleiben 20 Minuten als Pause: 2/3 Arbeit, 1/3 Pause. Oder lieber ein schneller Marsch mit so gut wie keiner Pause? Oder ein Mix und Wechselspiel aller Varianten?

Reale Resultate findest du hier beim Big’s Backyard Ultra.

Vorbereitung auf einen Backyard Ultra

Ein Backyard Ultra ist kein gewöhnliches Rennen und daher darf auch die Vorbereitung ein bisschen ungewöhnlich sein. Sicher, die Ausdauer ist wichtig, aber längst nicht alles.

1. Trainiere deine Ausdauer – aber mit Köpfchen

Beim Backyard Ultra kommt es nicht auf Geschwindigkeit an, sondern auf Konstanz. Die 6,706 Kilometer sind an sich keine Mammutaufgabe, aber die Kunst besteht darin, sie Stunde um Stunde immer wieder zu bewältigen. Dazu eignet sich das MAF Training ausgezeichnet mit einigen Prisen Backyard Ultra Spezial:

  • Lange Läufe mit Pausen: Simuliere die Bedingungen eines Backyard Ultras, indem du lange Läufe mit kurzen Pausen kombinierst. Zum Beispiel: Laufe 7 km, ruhe dich 10 Minuten aus, und wiederhole das mehrere Stunden.
  • Nachts trainieren: Der Kampf gegen Müdigkeit und Dunkelheit ist echt – also gewöhne dich daran. Laufe zu untypischen Zeiten, um deinen Körper und Geist auf die Herausforderung vorzubereiten.
    Diese Nachtläufe helfen dir auch mit Stirnlampe zu laufen. Dieses Ding auf dem Kopf kann manchmal sehr irritierend sein, wenn es Nebel oder Regen hat.

2. Plane deine Ernährung – dein Treibstoff entscheidet

Ohne Energie bist du raus, und die stündlichen Runden bieten nur kurze Zeit, um aufzutanken. Hier ist Strategie alles:

  • Testen, testen, testen: Probiere während des Trainings aus, welche Snacks und Getränke dein Magen unter Belastung verträgt. Ob Energiegels, salzige Snacks oder Bananen – finde heraus, was für dich funktioniert.
  • Abwechslung zählt: Nach Stunden im Rennen kann selbst dein Lieblingssnack unerträglich wirken. Packe also eine Mischung aus Süssem, Salzigem und Flüssigem ein.

Ich zum Beispiel habe nach 5-6 h die süssen Riegel und Gels gesehen und freue mich über richtige Nahrung oder wenigstens einen heissen Bouillon oder Chips.

3. Dein Set-up: Deine Basecamp-Zone

Dein Zelt, deine Stühle, dein kleines Reich – es wird dein Zuhause für die Dauer des Rennens. Plane es gut, denn hier entscheidest du, ob du weitermachst oder nicht.

  • Komfort ist König: Richte eine gemütliche Zone ein, mit allem, was du brauchst – von warmen Klamotten bis zu Snacks.
  • Effizienz zählt: Alles sollte griffbereit sein. Die Zeit zwischen den Runden ist knapp, und du willst sie nicht damit verschwenden, deine Stirnlampe zu suchen.

4. Kenne dein Material

Egal, wie hart du trainiert hast – wenn dein Material versagt, war’s das mit deinem Abenteuer. Auf dem Trail zählt eins: Verlass dich blind auf deine Ausrüstung.

  • Deine Schuhe: Sie sind mehr als nur ein Accessoire – sie sind dein bester Freund und dein schlimmster Feind zugleich. Jeder Schritt muss sitzen, ohne Blasen, ohne Schmerzen.
  • Die Stirnlampe: Wenn die Nacht kommt und du im stockdunklen Wald stehst, wirst du dankbar sein, wenn deine Lampe so hell leuchtet wie ein Leuchtturm in der Nordsee. Keine Ersatzbatterien? Keine Ausreden.
  • Deine Kleidung: Shorts, Hosen, Shirt – sie müssen scheuerfrei und bequem sein, egal ob es regnet, schneit oder die Sonne brennt. Alles, was nicht sitzt, wird zur Folter.
  • Die Smartwatch: Dein treuer Begleiter für Distanz, Pace und die rettende Erinnerung an Essen und Trinken. Wenn sie unterwegs den Geist aufgibt, bist du blind unterwegs. (hier mein Beitrag zur Garmin Fenix 7X)

Der Punkt ist: Auf einem Ultra hast du keine Zeit für Materialversagen. Wenn dir mitten in der Nacht der Akku der Stirnlampe ausgeht oder deine Schuhe scheuern, wirst du dir wünschen, du hättest vorher besser geplant. Im Dunkeln, müde und völlig fertig ist Improvisation das Letzte, was du willst. Also, teste alles, bis es passt – und zwar hundertprozentig.

Big Dog’s Backyard Satellite Team Championship – Der globale Wettkampf

Die Big Dog’s Backyard Satellite Team Championship ist der ultimative Beweis dafür, dass das Backyard-Ultra-Format längst ein weltweites Phänomen ist. Hier treffen die besten Läuferinnen und Läufer aus verschiedenen Ländern aufeinander, um gemeinsam in einem einzigartigen Teamformat anzutreten – und das alles mit der gnadenlosen Regel: Eine Runde mehr, oder du bist raus.

Das Konzept hinter der Satellite Team Championship

Angelehnt an das klassische Backyard-Ultra-Format von Gary „Lazarus Lake“ Cantrell wird die Teammeisterschaft dezentral und damit auch noch Klimarfreundlich ausgetragen. Jedes teilnehmende Land stellt ein Team aus 15 Läuferinnen und Läufern zusammen, die gemeinsam für den Sieg kämpfen – jeder auf heimischem Boden.

  • Satelliten-Events: Die Teams laufen nicht an einem zentralen Ort, sondern auf offiziellen Backyard-Ultra-Strecken in ihren jeweiligen Ländern.
  • Die globale Verbindung: Dank Live-Tracking und Streams sind die Läufer weltweit miteinander verbunden, und Zuschauer können die Wettkämpfe in Echtzeit verfolgen.
  • Das Ziel: So viele Runden wie möglich als Team schaffen, wobei jede Runde eines Teammitglieds zum Gesamtergebnis beiträgt.

Warum ist die Satellite Team Championship so besonders?

  1. Gemeinschaft statt Einzelkampf: Anders als beim klassischen Backyard Ultra, bei dem am Ende nur eine Person übrig bleibt, zählt hier der Teamgeist. Es geht darum, gemeinsam so viele Runden wie möglich zu bewältigen.
  2. Der weltweite Wettkampf: Länder treten gegeneinander an, und die Frage lautet: Welches Team hat die stärksten Läufer und den grössten Willen?
  3. Unvergleichliche Atmosphäre: Während die Läufer auf ihren heimischen Strecken Kilometer für Kilometer sammeln, feuern sie sich gegenseitig an – virtuell und vor Ort.

Rekorde, die Geschichte schreiben

Der Backyard Ultra ist nicht nur ein Rennen, er ist ein Schauplatz für Rekorde, die Grenzen verschieben und Menschen weltweit inspirieren. Hier die beeindruckendsten Leistungen, die dieses Format hervorgebracht hat:

Die längste Distanz aller Zeiten: 110 Runden!

2024 setzte Belgien ein Ausrufezeichen in der Trailrunning-Welt: Merijn Geerts, Ivo Steyaert und Frank Gielen liefen beim Backyard Ultra World Team Championship unglaubliche 737 Kilometer (110 Runden). Das ist, als würdest du von Zürich nach Hamburg laufen/rennen – einfach, weil du Lust hast.

Harvey Lewis und das 108-Runden-Phänomen

Im Jahr 2023 zeigte der Amerikaner Harvey Lewis in Bell Buckle, Tennessee, was mentale und körperliche Stärke wirklich bedeutet: 450 Meilen (720 Kilometer), aufgeteilt in 108 Runden, katapultierten ihn in die Geschichtsbücher.

Frauenpower auf höchstem Level

Auch die Frauen haben im Backyard Ultra Massstäbe gesetzt:

  1. 2024 übertraf Meg Eckert alle bisherigen Rekorde mit beeindruckenden 87 Runden (583 Kilometer) beim Backyard Ultra World Team Championship.
  2. Jennifer Russo stellte 2023 in Virginia mit 74 Runden (496 Kilometer) den zweithöchsten Rekord auf.
  3. Trailrunning-Legende Courtney Dauwalter legte 2020 den Grundstein mit 68 Runden, während Maggie Guterl 2019 als erste Frau Big’s Backyard Ultra mit 60 Runden gewann.

Fazit: Der Lauf ohne Ende – bist du bereit?

Sachen gibts, die gibts gar nicht. Verrückt und doch faszinierend. Es ist die Faszination „Grenze“. Wo ist diese Grenze. Wie weit kann ich gehen und ist eine Idee, welche mir schon vor 25 Jahren im Kopf herumgeisterte. Möglichkeiten gibt es genügend. Allein in der kleinen Schweiz gibt es einige Events: